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Der europäische Glücksspielmarkt ist ein erstaunlich bunter Flickenteppich, in dem sich staatlicher Kontrollwille, wirtschaftliche Interessen und moralische Vorstellungen gegenseitig überlagern. Während einige Länder ihr digitales Casino längst in Schale geworfen haben und ordentlich Eintritt verlangen, lehnen sich andere noch immer mit verschränkten Armen an die Tür und lassen nur staatlich lizenzierte Betreiber herein.

Wer denkt, in Europa herrsche Einheitlichkeit, vor allem bei solch lukrativen Themen, wird schnell eines Besseren belehrt. Glücksspiel ist hier kein Spiel mit identischen Regeln, sondern eine Sammlung nationaler Alleingänge, die auf den ersten Blick mehr Verwirrung als Struktur stiftet.

Warum es keine einheitlichen EU-Vorgaben für Glücksspiel geben kann

Es ist ein bisschen wie bei der Frage, ob man Ketchup auf die Pasta geben darf. Geschmacksfragen spalten Kontinente. Und so hält es auch die EU mit Glücksspiel: Jeder Mitgliedstaat entscheidet für sich, was erlaubt ist, was verboten bleibt und wo die moralische Schmerzgrenze verläuft. Dass dabei keine einheitliche europäische Regulierung existiert, liegt nicht etwa an einem Mangel an politischem Willen, sondern vielmehr am rechtlichen Rahmen selbst.

Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährt zwar die sogenannte Dienstleistungsfreiheit, doch genau hier macht das Glücksspiel eine elegante Seitwärtsbewegung. Es zählt zu den wenigen Bereichen, in denen sich der europäische Binnenmarkt zurückhält, weil nationale Sitten und Schutzinteressen den Ton angeben. Mit anderen Worten: Ein Casino, das in Spanien legal ist, darf nicht automatisch seine Chips in Österreich verteilen.

Zudem hat die EU-Kommission mehrfach versucht, freiwillige Harmonisierung anzuregen, etwa 2012 mit einem Aktionsplan für Online-Glücksspiele. Die Resonanz: höfliches Nicken, dann Stillstand. Kein Wunder, denn zwischen katholisch geprägter Spiellustbremse und liberalem Wettfieber klaffen Welten. Eine verbindliche Regulierung? Derzeit ungefähr so realistisch wie eine steuerfreie Steuererklärung.

Will man Ordnung ins europäische Glücksspielwirrwarr bringen, hilft nur eins: sortieren nach System. Wer darf, was darf und wie viel davon – das unterscheidet sich von Land zu Land teils drastisch.

Deutschland

Deutschland hat lange gebraucht, um aus seinem rechtlichen Durcheinander ein einheitliches Konzept zu zimmern. Seit Juli 2021 liegt die Verantwortung in den Händen der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL). Online-Casinos, Sportwetten und virtuelle Automatenspiele sind erlaubt, wenn Anbieter über eine deutsche Lizenz verfügen.

Doch dies ist kein Freifahrtschein: Einzahlungslimits, Pflicht zur Identitätsprüfung und Werbebeschränkungen ab 21 Uhr sorgen für klare Grenzen. Wer lieber ohne Regeln spielt, ist hier also falsch, was wiederum den Schwarzmarkt auf den Plan ruft.

Spannend wird es bei Plattformen, die zwar keine deutsche Zulassung besitzen, also kein LUGAS und dennoch legal agieren. Etwa, weil sie in anderen EU-Staaten lizenziert sind. Dieses Schlupfloch bringt zwar kein grünes Licht für eine GGL-konforme Teilnahme aus Deutschland, wirft aber juristisch interessante Fragen auf, was EU-Recht, Dienstleistungsfreiheit und nationale Beschränkungen miteinander anfangen sollen. Ein Markt also, der nicht nur von Regeln lebt, sondern auch von ihren Grauzonen.

Schweiz

Die Schweiz hat sich ebenfalls für ein zentrales Modell entschieden, das jedoch strenger daherkommt. Nur Anbieter mit Sitz in der Schweiz erhalten eine Konzession. Alle anderen, das betrifft vor allem ausländische Online-Casinos, werden durch Netzsperren technisch blockiert. So viel Abschottung wirkt einerseits konsequent, andererseits aber auch einladend für technische Umgehungstricks.

Österreich

Österreich pflegt sein Glücksspielmonopol mit österreichischer Gründlichkeit. Die Casinos Austria AG hält die Zügel fest in der Hand. Auch das Online-Angebot liegt beim Staat. Private Anbieter haben kaum Chancen, eine Lizenz zu ergattern. Besonders kurios: Während Sportwetten teils in Landeshand liegen, untersteht das restliche Glücksspiel dem Bund. So entsteht ein föderales Regel-Chaos, das selbst Beamte ins Grübeln bringt.

Spanien

Spanien hat 2011 ein Lizenzmodell eingeführt, das zwar liberal wirkt, aber beim Thema Werbung die Zügel anzieht. Glücksspiele sind erlaubt, solange sie von der zentralen Aufsichtsbehörde DGOJ genehmigt wurden. Werbung im Fernsehen ist nur nachts erlaubt, Bonushinweise sind verboten. Dazu kommt eine Steuer auf die Bruttospielerträge – satte 20 Prozent.

Italien

Italien war eines der ersten Länder, die das Online-Glücksspiel umfassend reguliert haben. Seit 2006 dürfen Anbieter mit entsprechender Lizenz ihre Dienste legal anbieten – allerdings ohne Werbemöglichkeit. Das sogenannte „Dekret der Würde“ hat Glücksspielwerbung nahezu vollständig verboten. Der Markt lebt also im Verborgenen, obwohl er staatlich genehmigt ist.

Niederlande

Die Niederlande haben sich 2021 modern aufgestellt. Mit dem „Wet Kansspelen op afstand“ entstand ein Lizenzsystem, das Spielerschutz in den Mittelpunkt stellt. Ein zentrales Sperrregister (CRUKS), strenge Werberegeln und technische Nachweispflichten sollen verhindern, dass das digitale Spielen aus dem Ruder läuft. Das Ergebnis: ein vergleichsweise transparentes System mit klaren Schranken.

Skandinavische Länder

Skandinavien ist ein Sonderfall. In Schweden wurde der Markt 2019 liberalisiert. Seither müssen Anbieter eine Lizenz erwerben und sich an umfassende Schutzmaßnahmen halten. Norwegen hingegen setzt weiter auf ein Monopol: Norsk Tipping und Norsk Rikstoto sind die einzigen legalen Anbieter. DNS-Blockaden gegen ausländische Seiten sind bereits in Kraft und sollen ab 2025 verschärft werden. Dänemark bewegt sich dazwischen, offen für Anbieter, aber streng bei der Kontrolle.

Malta als europäischer Glücksspielhub

Malta hat sich längst als europäisches Epizentrum des Online-Glücksspiels etabliert. Die Malta Gaming Authority (MGA) vergibt seit Jahren Lizenzen an Anbieter aus aller Welt und das mit einem Regelwerk, das sich nicht hinter dem anderer Länder verstecken muss. Transparenz, technische Sicherheit und Spielerschutz sind Bestandteil jeder Lizenz. Gleichzeitig locken niedrige Steuern und klare Verfahren internationale Anbieter geradezu magisch an.

Was auf Malta erlaubt ist, stößt in Deutschland jedoch auf rechtliche Stolpersteine. Zwar erlaubt die europäische Dienstleistungsfreiheit theoretisch auch maltesischen Anbietern, ihre Dienste in Deutschland anzubieten. Doch die Realität sieht anders aus.

In Deutschland gilt: Wer keine GGL-Lizenz hat, ist draußen. Auch wenn ein Anbieter in Malta völlig legal agiert, wird das Angebot in Deutschland als illegal betrachtet. Der Spieler selbst befindet sich damit in einer Grauzone, die juristisch zwar kaum verfolgt wird, aber durchaus problematisch ist.

Der Kampf gegen illegales Online-Glücksspiel in Europa

Illegale Anbieter sind das Phantom des europäischen Glücksspielmarkts. Kaum zu fassen, kaum zu kontrollieren, aber allgegenwärtig. Warum sie trotz klarer Regeln immer noch Zulauf finden? Weil sie locken, mit höheren Limits, besseren Boni und weniger Auflagen.

Viele Länder versuchen gegenzusteuern. Norwegen etwa nutzt DNS-Blockaden und wird diese ab 2025 deutlich verschärfen. In Rumänien und der Slowakei existieren Sperrlisten, auf denen nicht lizenzierte Anbieter stehen. Zahlungsdienstleister dürfen keine Überweisungen mehr an diese Unternehmen ausführen.

Doch so technisch raffiniert diese Maßnahmen auch sein mögen. Gegen einen entschlossenen Spieler mit VPN und Kreditkarte sind sie meist machtlos. Was fehlt, ist eine europäische Koordination. Denn solange jeder für sich sperrt, aber niemand gemeinsam handelt, bleibt der Schwarzmarkt ein lukratives Hintertürchen.

Technologischer Wandel, EU-Richtlinien und nationale Gesetzesreformen

Das Glücksspiel der Zukunft wird digitaler, schneller und datengetriebener. Künstliche Intelligenz erkennt riskantes Spielverhalten, bevor der Spieler selbst merkt, dass etwas aus dem Ruder läuft. Einzahlungslimits lassen sich in Echtzeit anpassen, Spielzeiten individuell begrenzen. Plattformen werden zu kontrollierten Erlebnisräumen. Mit Regeln, die sich mitbewegen.

Gleichzeitig wird die Gesetzeslage komplexer. Datenschutz nach DSGVO, Geldwäschebekämpfung über die AMLD, technische Sicherheitsstandards. All das muss integriert werden. Anbieter investieren längst nicht mehr nur in neue Spiele, sondern vor allem in Compliance.

Politisch zeichnet sich ein Trend zu mehr Regulierung ab. Nicht überall gleich, aber spürbar. Schweden und die Niederlande kooperieren bereits bei der Lizenzkontrolle, andere Länder dürften folgen. Und während Europa eine gesetzliche Harmonisierung scheut, wächst der Druck, wenigstens beim Informationsaustausch enger zusammenzuarbeiten.

Ob sich dadurch ein echter europäischer Glücksspielrahmen ergibt? Vermutlich nicht. Aber vielleicht entsteht etwas anderes: ein Netz aus nationalen Regelungen, das eng genug ist, um seriöse Anbieter zu fördern und schwarze Schafe aus dem Spiel zu nehmen. Und das wäre für viele schon ein Gewinn.



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Von Redaktion

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