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Braucht das UN-HQ in NY bald einen Tapetenwechsel und macht sich auf den Weg? | Quelle: UN Logo, Insert by AI & Artwork-UM

Sergey Lawrow beantwortete in seiner Pressenkonferenz aus NY vom UN-HQ aus am 27.9.2025 auch Fragen zu den notwendigen Reformen in Bezug auf überkommene UN-Strukturen. US-Schikanen gegen UN-Delegierte gehen weiter, doch lassen Stimmen laut werden, die einen Umzug fordern.

Sergey Lawrow: Schlüssel-Ämter des UN-Sekretariats
werden vom Westen wie „Erbhöfe“ gehandelt! – Teil III

Frage: Russland wird nächsten Monat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernehmen. Können Sie uns sagen, worauf Sie Ihre Arbeit ausrichten werden?

Lawrow: Jeden Monat kommen jene Themen automatisch auf die Tagesordnung des UN-Sicherheitsrats, welche sich aus den verabschiedeten Resolutionen ergeben. Das erfordert typischerweise eine regelmäßige Überprüfung ihrer Umsetzung. Das Sekretariat stellt dazu eine Liste mit Themen, die jeden Monat behandelt, diskutiert und möglicherweise ergänzt werden müssen, zusammen.

Unser Vorsitz wird sich insbesondere mit der Umsetzung der Dayton-Abkommen zu Bosnien und Herzegowina befassen: Das kommt zur rechten Zeit, zumal sich die Lage dort in einem kritischen Zustand befindet. Es droht der Zerfall bzw. die Verletzung der Rechte des serbischen Volkes. Es gibt grobe Verstöße gegen die Dayton-Abkommen, welche die Gleichberechtigung der drei staatsbildenden Völker – Serben, Kroaten und Bosniaken – proklamieren. Das wird ein interessantes Ereignis darstellen.

Das Wichtigste ist voraussichtlich, dass unsere Präsidentschaft auf den Jahrestag der Bildung der Vereinten Nationen [am 24.10.1945] – den 24. Oktober – fällt:

Wir planen, an diesem Tag eine Sondersitzung abhalten zu lassen!

Dies wird jedoch nicht geschehen, um einmal mehr nur auf unsere Unterstützung für die von den Gründervätern in der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Grundsätze einzugehen, sondern um zu sehen, wie diese heute umzusetzen wären:

Darüber hinaus steht die überwiegende Mehrheit besagter Grundsätze in direktem Zusammenhang mit Prozessen zur Multipolarität!

Die souveräne Gleichheit der Staaten, die Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen und das Recht der Völker, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden – all das ist seit 80 Jahren in der Charta der Vereinten Nationen verankert, wurde aber nicht immer umgesetzt. Besagte Sitzung soll dazu dienen, die weitere Entwicklung der UN zu analysieren und möglichst praktische Empfehlungen dafür zu finden.

Frage: Sie haben wiederholt über die Vereinnahmung der gesamten UN-Führung durch den Westen gesprochen. Was kann Russland tun, um diese Situation zu ändern?

Lawrow: Ich habe mich dazu offen geäußert. Wir machen daraus kein Geheimnis. Viele Positionen auf der Stellvertreterebene des Generalsekretärs sind auf verschiedene Länder über verschiedene Kontinente „aufgeteilt“. Es gibt jedoch mehrere Positionen, von denen die Funktionsweise des UN-Sekretariats und die Entscheidungen, welche den Mitgliedsländern zur Genehmigung vorlegt werden, direkt abhängen. Wenn das UN-Sekretariat eine Empfehlung abgibt, sind die Mitgliedstaaten in der Regel geneigt, diese zu unterstützen.

Doch, es gibt dort:

  • einen UN-Generalsekretär, der Staatsbürger eines NATO-Mitgliedstaates ist!
  • eine Direktorin der Abteilung für politische Angelegenheiten und Friedenskonsolidierung, die Staatsbürgerin eines NATO-Mitgliedstaates ist,
  • einen Direktor der Abteilung für Friedensoperationen, der Staatsbürger eines NATO-Mitgliedstaates ist,
  • einen Direktor des Amtes zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, der Staatsbürger eines NATO-Mitgliedstaates, genauer gesagt des Vereinigten Königreichs, ist. Besagtes Amt ist für Operationen auf der ganzen Welt zuständig und stellt eine sehr einflussreiche Organisation dar!
  • einen Direktor der Abteilung für Sicherheit, der Staatsbürger eines NATO-Mitgliedstaates und dessen Abteilung als Organisation für das gesamte UN-System wichtig ist.

Ich habe erwähnt, dass ein Brite gleich einem „Erbhof“ das Amt zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten leitet. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat die Initiative „UN-80“ ins Leben gerufen, welche viele radikale Vorschläge enthält, die eine gründliche Untersuchung und Analyse erfordern:

Es muss eine transparente Analyse geben, an der alle Mitgliedsländer beteiligt wären!

Wir haben eine entsprechende Resolution initiiert. Sie wurde angenommen, damit dieser Prozess nicht wieder „im Dunkeln“ verläuft. UN-Generalsekretär António Guterres hat einen weiteren stellvertretenden Generalsekretär ernannt, der diesen Prozess leiten soll. Durch einen „glücklichen“ Zufall ist diese Person ebenfalls einem britischer Staatsbürger zugefallen. Betreffen diese Schlüsselpositionen nicht Bereiche, die gleichmäßiger auf die Mitgliedsländer verteilt werden sollten? Für mich ist das klar!

Auf der letzten Sitzung der UN-Generalversammlung habe ich über die Notwendigkeit einer Reform in Bezug auf die Grundlagen, auf denen die Bildung des Sekretariats basiert, gesprochen. Derzeit gilt als Hauptgrundlage die Bevölkerungszahl und in etwa das BIP pro Kopf: Je größer ein Land ist, desto mehr Plätze bekäme es. Das entspricht ggfs. einer gewissen Logik.

Doch es gibt noch den Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten, der heute und in diesen Tagen oftmals erwähnt wird. Das UN-Sekretariat sollte nicht nach Nationalität, sondern nach Leistung besetzt werden, unter strikter Einhaltung des Grundsatzes einer gerechten geografischen Vertretung. Derzeit wird dieser Grundsatz in den oberen Rängen des Sekretariats völlig missachtet!

Frage: In letzter Zeit wird zunehmend über die Schwierigkeiten gesprochen, mit denen Delegationen in Bezug auf ihre Teilnahme an der UN-Generalversammlung konfrontiert wären. Die russische Delegation hatte mehrfach Probleme mit der Erteilung von Visa. In diesem Jahr konnte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas deshalb auch nicht persönlich an der UN-Generalversammlung teilnehmen.

Wie beurteilen Sie die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen der Vereinigten Staaten, wenn man bedenkt, dass sich der Sitz der Vereinten Nationen in New York befindet? Wie kommentieren Sie das zunehmende Verlangen, den UN-Sitz in ein anderes Land verlegen zu lassen?

Lawrow: Das ist ein ernstes Problem. Es handelt sich um Schwierigkeiten, die Länder betreffen, deren Delegationen mit Problemen konfrontiert sind. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Abkommen zwischen dem UN-Hauptquartier und dem Gastland [USA] dar. Das Gastland wäre verpflichtet, auf Antrag der Länder rechtzeitig und ohne Diskriminierung Visa für alle UN-Veranstaltungen, sei es für die Generalversammlung oder andere UN-Gremien, ausstellen zu lassen.

Wir „vermissen” regelmäßig ursprünglich geplante mitreisende Mitglieder unserer Delegation, einschließlich solcher aus der Staatsduma. Der russische Präsident nahm Parlamentarier in seine Delegation auf. Doch, nicht jeder erhielt ein Visum. Ich habe dies bei einem Treffen mit US-Außenminister Marco Rubio am 24. September 2022 angesprochen. Die Amerikaner hielten einen anderen Mitarbeiter unseres Ministeriums auf Ebene eines Abteilungsleiters für ein US-Visum ebenso unwürdig!

Dies ist nicht der einzige Verstoß gegen das Abkommen zwischen dem UN-Hauptquartier und dem Gastland [USA]. Einer der auffälligsten Verstöße war die Beschlagnahmung unseres diplomatischen Eigentums unter der Obama-Administration. Dies geschah wenige Wochen vor der Amtseinführung von Donald Trump noch vor Aufnahme seiner ersten Amtszeit. Es ist nicht fair, jemandem, der gemäß Gesetz und Verfassung sowie Willen des Volkes im Weißen Haus neu einzieht, ein solches „Erbe“ zu hinterlassen:

Wir haben es immer noch nicht geschafft, „das zu bereinigen“!

Die [US-]Amerikaner sind nicht bereit, zu einer ehrlichen Umsetzung der Vereinbarungen zurückzukehren. Aber, wir diskutieren auch über Visa, die Arbeitsweise von Botschaften, diesbezüglichem Eigentum und anderen Aspekten im täglichen Betrieb unserer diplomatischen Vertretungen. Wir hielten bereits zwei Gesprächsrunden [mit der amerikanischen Seite] dazu ab. Wir haben mit Marco Rubio vereinbart, im Herbst eine dritte Runde abzuhalten, doch müssen die Details dazu noch finalisieren.

Was die Frage des „Umzuges“ [des UN-Hauptquartiers in ein anderes Land aufgrund besagter US-Schikanen] angeht: Viele haben nichts dagegen. Kürzlich wurde dem kolumbianischen Präsidenten Petro während seines Aufenthalts hier das Visum entzogen. Er ist ein einfacher, geradliniger Mann. Viele schlugen vor, darüber nachzudenken [das UN-Hauptquartier weg aus New York bzw. den Vereinigten Staaten zu verlagern].

Meiner Meinung nach waren diese Vorschläge rein polemischer Natur, um das Thema im UN-Ausschuss für Beziehungen zum Gastland [USA] aggressiver zu vorzutragen.

Es gäbe dazu eine passende Geschichte: Im Verlauf von Verhandlungen zwischen J. W. Stalin, F. D. Roosevelt und W. Churchill ergab sich die Notwendigkeit zur Schaffung einer Weltorganisation:

Im Zuge dieses Gesprächs lud J. W. Stalin aktiv dazu ein, den UN-Hauptsitz in Sotschi ansiedeln zu lassen!

Die Stadt Sotschi hat bewiesen, dass sie große Veranstaltungen ausrichten kann. Sollte plötzlich eine solche Entscheidung getroffen werden, dann wäre die Infrastruktur, die von Olympiade noch herrührt, bereits vorhanden. Alle Mitarbeiter des UN-Sekretariats würden sich dort beim Sport erfreuen können!

Fortsetzung mit Teil 4 folgt

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Von Redaktion

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