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Es ist ein schlechter Witz, dass es in einer der angeblich reichsten Volkswirtschaften einen Mindestlohn gibt, geben muss. Aktuell beträgt er 12,82 € pro Stunde. Wie sieht die Kaufkraft aus, im Vergleich zu 1970?

Von PETER HAISENKO | Um 1970 habe ich zuerst neben dem Abitur als Zweiradmechaniker gearbeitet und dann als Hilfskraft in einem kleinen Verlag. Das war eine interessante Zeit und ich habe viel gelernt über Menschen. Es war auch die Zeit, als ich jeglichen Respekt vor Rang und Namen abgelegt habe. Besonders einschneidend war das Erlebnis 1973, als ich den damaligen Bundeskanzler Brandt bei seiner Eröffnungsrede zur Frankfurter Buchmesse erlebte. Mein Kanzler war derart betrunken, dass er nicht einen einzigen Satz grammatikalisch korrekt zu Ende bringen konnte. Da könnte ich noch mehr erzählen, aber heute geht es um die Entlohnung und dessen Kaufkraft.

Mein Stundenlohn betrug damals 4,50 DM, also umgerechnet etwa 2,25 €. Klingt wenig? Ja, viel war es nicht, aber ich konnte damit auskommen, obwohl ich schon meine eigene Bleibe hatte, zur Untermiete. Der Ehrlichkeit halber füge ich an, dass mich mein Vater mit 200 DM pro Monat unterstützt hat. Ganz nebenbei habe ich mir bei diesem Verlag zwei Jahre Einzahlzeit für die Rente erworben, neben dem Abitur, denn der Verlag hat für mich ordentlich Sozialabgaben abgeführt.

Die Gegenwart im besten Deutschland aller Zeiten

Um 1970 konnte ich beim Metzger eine Leberkäsesemmel für 60 Pfennig kaufen. Das war mein Standard-Mittagessen nach der Schule. Nachmittags habe ich gearbeitet. In der Lochhamer Bahnhofswirtschaft gab es günstiges Bier, ebenfalls für 60 Pfennig für eine Halbe Helles. Ich konnte mir folglich für eine Stunde Arbeit – für 4,50 DM – sieben Leberkäsesemmeln kaufen oder sieben Halbe Helles Bier in der Kneipe trinken. Wieviel besser geht es jemandem da heute, der nicht mehr als den den Mindestlohn erhält? Heutzutage kostet eine Leberkäsesemmel in München knapp unter drei Euro, ein halber Liter Bier in der Wirtschaft vier Euro aufwärts. Das bedeutet, dass ein Mindestlohnempfänger für eine Stunde Arbeit etwa 4,5 Leberkäsesemmeln kaufen kann, oder im Lokal drei Halbe Helles. 1970 kostete ein Liter Benzin etwa 50 Pfennig, manchmal weniger. Das heißt, ich konnte für eine Stunde Arbeit etwa zehn Liter Benzin kaufen. Heutzutage bekommt der Mindestlohnempfänger für eine Stunde Arbeit gerade mal etwa sieben Liter Super.

In den 1970er Jahren konnte eine Familie vom Einkommen eines Familienmitglieds leben, Miete bezahlen, ein Auto unterhalten und sogar noch ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen und in Urlaub fahren. Heutzutage kommt eine Familie kaum über die Runden, selbst wenn beide Elternteile berufstätig sind. Junge Familien mit einem Durchschnittseinkommen können den Traum vom Eigenheim vergessen. Und das nennt man Fortschritt?

Die Produktivität ist enorm angestiegen

Von den 1950er Jahren an hat sich die Produktivität um etwa den Faktor 50 verbessert. Das heißt, um dasselbe Produkt herzustellen, wird nur noch ein Fünfzigstel der Arbeitskraft benötigt. Warum ist diese Verbesserung nicht im Volk angekommen? Wer hat sich daran bereichert? Bereichert an der Leistung und Genialität vor allem der Ingenieure? In den 1980er Jahren wurde über die 30-Stundenwoche diskutiert. Das wäre angesichts des Fortschritts in der Produktivität nicht nur möglich, sondern durchaus angemessen. Höhere Produktivität – weniger arbeiten – das ist logisch. Die Politik hingegen wollte das nicht. Mehr Freizeit heißt nämlich auch, mehr Zeit zum Nachdenken. Wie hat man dafür gesorgt, dass kürzere Arbeitszeiten nicht möglich sind?

Die Bürokratie wurde aufgeblasen und immer mehr arbeitsfähige Menschen wechselten von der Produktion in die Büros, wo sie immer sinnlosere Tätigkeiten absolvieren. Das heißt, das Verhältnis zwischen Produktiven und Bürokraten verschob sich immer weiter zu Ungunsten der Produktiven. Die sind es aber, die das Land am Laufen halten. Mittlerweile sind es nur noch weniger als 25 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, die produktive Arbeit leisten. Die werden aber auch noch von der überbordenden Bürokratie beim Produzieren behindert. Und da kommt Kanzler Merz und sagt, die Deutschen arbeiten zu wenig. Der Witz daran ist, er hat recht, aber ganz anders, als er es wohl meinte. Richtig müsste es heißen: Die Deutschen leisten zu wenig produktive Arbeit. Fakt ist nämlich, dass ein Produktiver für drei Bürokraten und natürlich sich selbst arbeiten muss, damit alle überhaupt leben können. Und die drei Bürokraten werden besser entlohnt als Produktive und müssen sich nicht dem Wetter aussetzen.

Sinnlose Beschäftigung senkt die Arbeitslosenquote

Allerdings kann mit diesem System die Arbeitslosenzahl fein reguliert werden. Zu hohe Quote? Kein Problem, mit dem nächsten unsinnigen Gesetz, der nächsten Statistikvorschrift, kriegen wir die von der Straße in die Büros. Bezahlt von denen, die wirklich arbeiten. Dämmert´s jetzt langsam, warum wir heute mehr arbeiten müssen für weniger als in den 1970er Jahren? Und nein, das ist diesmal keine Kapitalismuskritik. Es ist Kritik an der Politik, die uns in diesen Zustand gebracht hat. Es sind Politiker, die den Menschen kein angenehmes sorgenfreies Leben gönnen, aber sich selbst mit fetten Pensionen versorgen. Es sind dieselben Politiker, die nach 1990 die Regeln für das Finanzwesen kontinuierlich zu Gunsten des Großkapitals verschoben haben. Aber ist das nur ein deutsches Phänomen?

Blicken wir in die USA. Es ist allgemein bekannt, dass es den Durchschnittsamerikanern niemals besser ging als in den 1950er bis 60er Jahren. Dann kam der Vietnamkrieg. Der Schwerpunkt der Produktion wurde noch weiter Richtung Militär verschoben und der Export brach ein. Die USA verwandelten sich von einer Export- zu einer Importwirtschaft. In großem Stil wurden produktive Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. So können die USA heute als eine Gelddruckmaschine bezeichnet werden, die nur noch die Importe verwaltet und das ganze mit einer irrsinnig großen Armee absichert. Die Produktivitätsquote liegt bei nur noch zehn Prozent. In der BRD liegt sie immerhin noch bei knapp 24 Prozent, mit absinkender Tendenz. Das ist das aktuelle Problem der USA, das Trump mit Importzöllen lösen will. Ach ja, die USA haben mit Abstand die größte Quote an Juristen, die alles andere als produktiv sind. Sie haben auch die meisten Obdachlosen, die meisten Inhaftierten und die großen Städte zeigen ein apokalyptisches Bild. Auch in den USA gibt es Mindestlohn. Ja, „the worlds leading Nation“, sagen sie.

Das Schicksalsjahr 1990

Bis 1990, bis zum Sieg des Kapitalismus über den Kommunismus, gab es einen Wettbewerb der Systeme. Der Westen musste immer beweisen, dass der Kapitalismus das bessere System für das Wohlergehen der Menschen ist. Man kann folglich von einem gebremsten Kapitalismus sprechen, mit der Sozialen Marktwirtschaft als leuchtendes Beispiel. Fortan konnte sich aber der Kapitalismus in all seinen hässlichen Extremen ausleben. Turbokapitalismus, Raubtierkapitalismus und Heuschrecken müssen wir heute erdulden. Die Soziale Marktwirtschaft wurde geschleift und die soziale Schere hat sich weit geöffnet. In den 1960er Jahren galt ein Millionär, gar ein Multimillionär als unermesslich reich. Wer redet heute noch über Millionäre? Es müssen schon Milliardäre sein. Die Messlatte hat sich im Faktor tausend verschoben. Diese Milliardenvermögen kann es aber nur geben, wenn das Geld vom „Kleinen Mann“ genommen wird. Die Politik hat die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen.

Die Verlagerung von Produktion in Billiglohnländer oder auch nur ihre Androhung hat die Löhne immer weiter nach unten gedrückt. Es ist zu einem globalen Wettbewerb nach unten gekommen. Eben bis die Notwendigkeit für einen minimalen sozialen Schutz einen Mindestlohn unumgänglich gemacht hat. Wie Sie aber meinen Ausführungen oben entnehmen können, geht es einem Mindestlohnempfänger heute schlechter als einer Hilfskraft vor 60 Jahren. Und dann will die Bundesregierung noch auf Kriegswirtschaft umstellen. Ja, da gibt es Arbeitsplätze, aber die Arbeit, die für Krieg geleistet wird, bringt keinerlei Nutzen für die Bevölkerung. Schließlich werden da Dinge hergestellt, die auf Grund ihrer Bestimmung wieder zerstört werden sollen oder im besten Fall vor sich hin gammeln und gepflegt werden müssen. Wieder soll Arbeit geleistet werden, die keinerlei Nutzen für das Wohlergehen des Landes hat. So, wie die überbordende Bürokratie. Ist das schlichter Wahnsinn, Unfähigkeit oder so gewollt?

Die westliche Welt braucht einen vollständigen Neustart

So komme ich zu dem Schluß, dass sowohl die Politiker, die das zu verantworten haben, als auch das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem abgeschafft werden müssen. Dass sich diese Politiker für ihre Taten vor Gericht verantworten müssten, wage ich nicht einmal zu fordern, weil es nicht geschehen wird. Da wird man auf das „Jüngste Gericht“ warten müssen. Die große Frage ist aber, ob es einen Ausweg, eine Alternative geben kann. Und zwar ohne eine blutige Revolution. Zunächst brauchen wir ein Finanzsystem, das die Geldmengen wieder in rationale Bereiche zurück führt; das es unmöglich macht, dass es Multimilliardäre überhaupt gibt. Wenn das erreicht ist, wird die Macht der Lobbyisten und des Kapitals ganz von selbst enden. Wer kein Geld hat, hat auch keine Vasallen und Söldner oder eben Lobbyisten, die im Übrigen auch keinerlei produktiver Tätigkeit nachgehen.


Zum Autor:

Peter Haisenko ist Schriftsteller, Inhaber des Anderwelt-Verlages und Herausgeber von AnderweltOnline.com

 

 

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Ist ein Finanzsystem, dass ohne die Fehler des bestehenden zuverlässig und nachhaltig funktioniert, das vollständig durchkonstruiert ist, ist ein solches Modell pure Illusion oder eine machbare Alternative für eine gute Zukunft? Urteilen Sie selbst und lesen Sie „Die Humane Marktwirtschaft“. Ein Werk, das jeder versteht, weil es ohne die ganzen „Fachbegriffe“ auskommt, die nur geschaffen worden sind, um auch Sie glauben zu machen, dass das niemand verstehen kann, der nicht vom Fach ist. Bestellen Sie Ihr Exemplar direkt beim Verlag hier oder erwerben Sie es in Ihrem Buchhandel.
Und noch einen positiven Effekt wird dieses Modell zeitigen: Kriege sind damit fast unmöglich, denn die vielen Milliarden, die für Krieg benötigt werden, wird es einfach nicht mehr geben. So behaupte ich, dass mit diesem System nahezu alle, ja alle Probleme der Gegenwart gelöst werden können.

 

 



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Von Redaktion

5 Gedanken zu „Mindestlohn und Kaufkraft im Vergleich der Jahrzehnte“
  1. „Thomas Müller entlarvt Dunja Hayali live – und das ganze Studio schweigt!“
    https://www.youtube.com/watch?v=IciV7Jk8Qpw
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    „Das Gute kann ohne das Böse existieren, während das Böse nicht ohne das Gute existieren kann.“
    Thomas von Aquin
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    Schlimm genung, dass es Verräter unter den Deutschen gibt, aber die Leute mit fremden Wurzeln sind um einiges schlimmer, sie wurden bewußt auf bestimmte Posten gesetzt!
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    „Der baldige Abgang der Deutschen ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Diese freudlose Nation kann gerne dahinscheiden. Deniz Yücel, der Türke, der sich als deutscher Journalist bezeichnet?
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    Die Antidiskriminierungsbeuftragte Ferda Ataman
    Foto: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

    Ferda Ataman,
    Für diese Türkin sind wir „Kartoffeldeutsche“

    Die Wahl der ehemaligen Redenschreiberin Armin Laschets und Kolumnistin des öffentlich-rechtlichen RBB, sie wurde zur Antidiskrminierungsbeauftragten des Bundes..
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  2. In der Kapitalismus werden nur die Löhne bezahlt, für die man eine benötigte Arbeitskraft gerade so bekommt. Niemand bezahlt mehr, als er unbedingt muss. Der Mindestlohn wurde 2015 auf Betreiben der SPD gegen große Widerstände aus Politik und Wirtschaft eingeführt, um Lohndumping zu vermeiden. Neben der FDP war auch die AfD war ausdrücklich dagegen. Heute hält sie sich da bedeckt. Die Union musste das Zugeständnis an die SPD machen.

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  3. Sehr gute Analyse, der ich nur voll und ganz zustimmen kann. Aus meinem Heimatland Österreich kann ich dazu beitragen: In den 1980er-Jahren, bis hinein in die frühen 1990er, hatten wir wohl die höchste Kaufkraft. Das hat mir vor kurzem auch ein lang-gedienter Gastronom bestätigt, der die meiste Zeit in Skiorten in Tirol tätig war. Die Spendierfreudigkeit von damals ist heute weg. Die Leute können sich auch nicht mehr 14 Tage Skifahren leisten. Der weitere Verlauf der Dinge hier: Ich war 1995 bis 2005 im Ausland, und als ich 2005 nach Österreich zurückkam, gab es das alte Österreich, das ich 10 Jahre zuvor verlassen hatte, nicht mehr. Etliches war tatsächlich besser: Der Provinzmief war weg. Einige der EU-Regeln, die in nationales Recht übertragen werden mussten, brachten tatsächlich eine Verbesserung (!). Aber seit 2005 ging es bis heute stetig bergab. Das beobachte nicht nur ich als Kleinunternehmer, das sagt auch der „Index of Economic Freedom“ der Heritage Foundation, in dem Österreich seit 2005 dramatisch abgestürzt ist. Seit ich wieder zurück bin in Österreich, wurde uns in regelmäßigen Abständen versprochen: Wir werden den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiveren. Wir machen einen Bürokratieabbau. Eine große Steuerreform (kam nur ansatzweise zustande). Eine große Justizreform (kam nie). Die erlebte Realität ist: Es wurde kontinuierlich schlechter! Die Frage „cui bono?“ stellt sich, und der obige Artikel gibt wohl genug Hinweise. Es wird also wohl nicht nur einfach Blödheit sein, sondern wohl auch eine Absicht dahinter geben, siehe der Artikel oben.

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  4. 12.90 ist doch super!!
    liegt zwar knapp unter dem
    asülschmarotzertarif aber
    dafür gibt’s suppenküchen
    und flaschenpfand sammelstellen obendrauf.
    geschweige den neu* die möglichkeit bis 117 im
    sklavenmarkt tätig sein
    zu dürfen/müssen;)

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    1. Es gibt auch die Tafeln?
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      Wie erfuhr ich einmal von einer Bekannten vor 2015, weil der Tafel das Personal fehlte, um das Schlechte auszusortieren, konnte sie sich von einer Kette, die angeschlagene Ware abholen.
      Der Marktleiter war froh darüber!

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