Nachdem Donald Trump bestätigt hatte, dass es am 15.8.2025 in Alaska zu einem persönlichen Treffen mit Wladimir Putin und ihm kommen werde, gab Professor Jeffrey Sachs dazu erstaunliche Einschätzungen ab.
Jeffrey Sachs: Hauptaufgabe des US-Präsidenten wäre
es auf die Bremse der US-Kriegsmaschinerie zu treten
Von REDAKTION | In einem Exklusivinterview mit der Hindustan Times erklärt der renommierte Ökonom und Professor, Jeffrey Sachs die Ursprünge des Ukraine-Konflikts. Sachs macht USA und NATO als Hauptverantwortliche fest, welche Russland in die Enge getrieben und letztlich darüber den Krieg ausgelöst hätten. Sachs weist auch weiteren US-Präsidenten, darunter Barack Obama und Bill Clinton – neben Joe «Sleepy» Biden und Donald Trump – eine entsprechende Mitschuld an der verfehlten Kriegspolitik der Atlantiker zu.
Das Transkript des Interviews von Jeffrey Sachs durch die Hindustan Times in deutscher Übersetzung

Abhishek Singh: Lassen Sie uns anfangen: Es gibt eine Reihe von Themen, über die wir sprechen möchten. Das geplante Treffen zwischen Trump und Putin wird in wenigen Tagen in [Alaska] stattfinden. Das letzte Mal trafen sie sich im Jahr 2018 in Helsinki, als Trump Putins Behauptungen bestätigte, dass es zuvor keine Beeinflussung der US-Wahlen gegeben habe. Diesmal sieht die Welt anders aus. Was meinen Sie, könnte außer dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine noch auf der Agenda stehen?
Jeffrey Sachs: Ich muss sagen, dass mich die Nachricht über dieses Treffen überrascht hat, weil die USA öffentlich keine Maßnahmen ergriff, die tatsächlich zu einem Ende des Krieges in der Ukraine beitragen könnten. Ich gebe die Schuld den USA…
… da ich glaube, dass dieser Krieg im Grunde von den USA über einen Zeitraum von 30 Jahren provoziert worden war!
Tatsächlich wurde der Krieg als Folge der NATO Ost-Erweiterungen ausgelöst. Es war eine Entwicklung, die in den 1990er Jahren entgegen allen Versprechen der USA, wonach NATO keinen Zentimeter nach Osten vorrücken werde, gegen die UdSSR und später Russland einsetzte. Nachdem die Sowjetunion 1991 zerfallen war, brachen die Vereinigten Staaten ihre Versprechen und begannen mit NATO-Ost-Erweiterungen. Das reicht sogar bis ins Jahr 1994, als Präsident Bill Clinton diese schreckliche Entscheidung traf, zurück. Seitdem hat sich die NATO nach Osten ausgedehnt, mit dem ausdrücklichen Ziel, Russland einzukreisen, wobei für viele in der amerikanischen politischen Elite gilt:
Russland besiegen bzw. spalten oder, wie es in Washington manchmal heißt, dekolonisieren [entvölkern] zu wollen!
Das alles bzw. die Politik der USA nach dem Kalten Krieg lief stets aufs Gleiche hinaus, nämlich Russland zu besiegen, doch nicht friedlich neben Russland zu leben.
Der Grund, warum mich vor ein paar Tagen die Ankündigung zu dem Treffen [in Alaska] überraschte, ist klar: Russland sagte, dass zur Beendigung des Krieges, die Grund-Ursachen beseitigt werden müssten. Das betrifft im Wesentlichen die NATO-Ost-Erweiterungen. Aber es gibt noch andere Dinge:
- Die Vereinigten Staaten haben 2014 einen Staatsstreich in der Ukraine organisiert, der ein NATO-freundliches Regime an die Macht brachte, nachdem der Präsident, welcher die Neutralität für die Ukraine wollte und was die richtige Politik für die Ukraine gewesen wäre, gestürzt worden war.
- Danach haben die Vereinigten Staaten den Vertrag brechen lassen, der eine Eskalation hätte verhindern können: Es war das vom UN-Sicherheitsrat gebilligte Minsk-2-Abkommen, welches die Autonomie der ethnisch russischen Bevölkerung in der Ostukraine vorsah. Die Vereinigten Staaten veranlassten die Ukrainer, die Minsk Vereinbarungen nicht einzuhalten.
Anfang 2022, nach der russischen Invasion am 24. Februar 2022, stand ein Friedensabkommen zwischen Russland und Ukraine auf Grundlage der Neutralität der Ukraine kurz vor dem Abschluss. Die Vereinigten Staaten schalteten sich ein und ließen Selenskyj ausrichten: „Unterschreiben Sie das nicht – wir werden weiterkämpfen und Russland besiegen!“
Ich bringe all das vorab, um auf die Frage, worum es bei diesem kommenden Treffen gehen werde, zurückzukommen. Es könnte Frieden geben, falls Präsident Trump endlich die Kernthemen ansprechen wollte, nämlich dass:
- die NATO nicht nach Osten expandieren würde,
- die USA ihre unerbittlichen Versuche in Russland einen Regimewechsel zu erwirken bzw. das Land einzukreisen, aufgäben,
- es künftig eine neutrale und sichere Ukraine geben werde!
Aber Präsident Trump hat nicht den Mut, das auszusprechen!
Ich weiß nicht, was Trump persönlich bewegt, aber er ist umgeben vom militärisch-industriellen Komplex der USA, der das absolut nicht verwirklicht sehen möchte. Ich bin natürlich interessiert zu erfahren, wie dieses Treffen ausgehen wird. Aber die Idee, die Trump im Namen des militärisch-industriellen Komplexes vertrat, wonach es einfach nur einen Waffenstillstand geben soll, ohne die Grund-Ursachen dieses Konflikts anzugehen, stellt aus russischer Sicht ein No-Go dar. Aus ihrer Sicht würde es nur bedeuten, dass der Westen den Krieg zu einem für ihn günstigen und späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen würde, anstatt sich mit den grundlegenden Kernursachen dieses Krieges [konstruktiv] auseinanderzusetzen.
In dieser Hinsicht glaube ich, dass die Russen Recht haben: Wenn dieser Krieg beendet werden soll, wäre das über die Beseitigung der fundamentalen Grund-Ursachen dieses Konflikts darzustellen. Die Vereinigten Staaten spielten über die letzten 30 Jahren die Starken und haben Russland im Grunde nur wissen lassen:
Wir können tun, was wir wollen, wo wir es wollen, wann wir es wollen und werden es tun!
Deshalb dauert dieser Krieg an. Falls Trump etwas anderes sagen wollte, könnte der Krieg zu Ende sein!
Abhishek Singh: Richtig! Wie zuversichtlich sind Sie, dass Trump das schaffen könnte, was Obama und Biden nicht geschafft haben? Sie haben die Rolle des militärisch-industriellen Komplexes und natürlich die des Tiefen Staates der USA angesprochen: Würde Trump imstande sein, im Vergleich zu den Präsidenten vor ihm, wie Obama, Biden und andere, das Drehbuch zu ändern? Vor allem, weil er seinen Wählern eine Friedenspräsidentschaft verkauft hatte und der Krieg zwischen Russland und Ukraine natürlich der größte Konflikt ist, auf den die Augen des Westens gerichtet sind. Glauben Sie, dass Trump, wenn schon aus keinem anderen Grund – nicht um der Millionen toten Ukrainer bzw. nicht um der toten Russen willen, sondern vielleicht [nur] um des Friedens[Nobel]-Preises willen, den er im Auge hat –, vielleicht in der Lage wäre, sich von der bisherigen Außenpolitik der USA in dieser Frage zu distanzieren?
Jeffrey Sachs: Er könnte es natürlich, das wäre seine Aufgabe. Ich sagte oft bzw. schon seit Jahrzehnten:
Hauptaufgabe des US-Präsidenten wäre es, auf die Bremse der US-Kriegsmaschinerie zu treten!
Das wäre seine Aufgabe, doch das ist keine leichte Aufgabe. Trump ist nicht sehr gut in diesem Job, weil er keine politischen Ideen kommuniziert. Er spricht nicht zum amerikanischen Volk. Er baut sich keine Basis auf. Seine Vorstellung geht dahin, alles hinter verschlossenen Türen mit Drohungen, Prahlerei und Bluffs ausgehandelt zu bekommen.
Auf dieser Grundlage kann er den militärisch-industriellen Komplex nicht überwinden. Er ist von diesem vielmehr umgeben! Das einzige Mittel, wie ein Präsident sich dem militärisch-industriellen Komplex entgegenstellen könnte, wäre durch echte Führungsstärke. Ich glaube nicht, dass Trump das draufhabe, doch ich hoffe, mich diesbezüglich zu irren. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber dafür müsste Trump dem amerikanischen Volk, das im Übrigen keinen Krieg möchte, erklären:
Wie wir da hineingeraten sind und wieder herauskommen wollten!
Er sagt, dies sei Bidens Krieg – okay, das ist Politik. Die Wahrheit ist, dass es seit seiner ersten Amtszeit auch sein Krieg ist. Es ist auch Obamas Krieg. Obama hat 2014 den Putsch [in Kiew 2014] gemanagt, der das derzeitige ukrainische Regime an die Macht schwemmte. Das geht bis auf Clinton zurück. Die Wahrheit ist, dass…
… dies ein Krieg des Tiefen Staates der USA ist: Dies ist ein Krieg des CIA-Pentagon militärisch-industriellen-Komplexes!
Der hat eine Agenda: Die hat übrigens Zbigniew Brzezinski im Jahr 1997 sehr klar und deutlich formuliert und niedergelegt, wie die US-Elite denkt: Brzezinski sagte, man werde Russland auf eine zweit- oder drittklassige Macht reduzieren, indem wir es über die Schwarzmeerregion einkreisen würden, damit es seine Macht nicht mehr ausspielen könne. Brzezinski kam 1997 zum Schluss, dass Russland keine andere Wahl haben werde, als den NATO Osterweiterungen und allem darüber hinaus zuzustimmen. Nun: Brzezinski hat sich geirrt! Aber der Punkt ist, dass Trump erklären müsste, warum wir den Kurs nun ändern wollten. Bislang hat er weder die Intelligenz, noch das Timing bzw. das Verständnis für die öffentliche Seite gezeigt. So, bleibe ich etwas skeptisch, doch hoffe, mich diesbezüglich zu irren!
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Übersetzung: UNSER-MITTELEUROPA
Das Video im Original mit dem Interview von J. Sachs durch HT auf Englisch: HIER
Die Empfehlungen von Brian Berletić zum Umgang mit den USA:
Brian Berletić mit sieben Empfehlungen zum Umgang mit USA der «Sonderinteressen»
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